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Zentralanatolien bis Schwarzmeerküste

Nordosten der Türkei

Sind wir plötzlich wieder zurück in der Schweiz? Der Blausee, die Holzchalets, die hohen Berge? Man könnte es fast meinen. Doch unser letzter abschnitt der Türkeireise hat auch sportlich und kulturell einiges zu bieten.




Blausee in der Türkei

Heute wartet eine lange Reise auf uns. Von Kappadokien wollen wir Richtung Nord-Osten. So fahren wir durch die endlosen Weiten des anatolischen Hochlandes. Die Route ist durch die abwechselnde Landschaft und Farben sehr schön, wobei auch in dieser Jahreszeit sehr karg. Wir bewegen uns teilweise auf bis zu 1'800 m.ü.M. Das erklärt auch die Schneeschutz-Vorrichtungen rechts am Strassenrand. Die Strasse ist, wie eigentlich überall in der Türkei, in sehr gutem Zustand. Entlang der Route sehen wir immer wieder riesige Melonenplantagen. Auf dem Weg in Richtung Osten ist unser heutiges Etappenziel die Ortschaft Gürün. Unser ursprünglicher Plan ist es eigentlich vor der Stadt zu übernachten. In einem stillgelegten Steinbruch parkieren wir unser Fahrzeug. Wie zuvor bereits am Vulkankratersee, kommt uns aber ein schlechtes Gefühl auf. Wieder liegen überall Bierflaschen herum und vereinzelte Schusshülsen. Es dämmert schon langsam, also muss schnell ein Plan B her. Etwas übermüdet von der heutigen Reise, fahren wir gezwungenermassen zu einem anderen Stellplatz ca. 20 Kilometer entfernt. Am nächsten Tag erfahren wir, dass dies eine gute Entscheidung war…

 

Letzte Nacht war es mucksmäuschenstill um uns herum, wir haben fantastisch geschlafen. Gestern Abend waren wir uns nicht ganz sicher in was für einem Park wir gelandet sind. Zumindest machte die Anlage einen gepflegten Eindruck und bei unserer Ankunft in der Dämmerung fühlten wir uns hier sicher. Heute Morgen war es um uns herum immer noch sehr ruhig. Nur ein paar Mitarbeiter sind im Park anzutreffen. Wir erkunden die Anlage und es stellt sich schnell heraus, dass wir an einem wunderschönen Ort gelandet sind. Der Gölü See schimmert in wunderbaren Blautönen. Im Vergleich dazu ist der Blausee in Kandersteg richtig blass. Wir umrunden den kleinen See und schiessen unzählige Fotos von der fast unwirklich erscheinenden blauen Farbe. Rund um den See hat es diverse Picknickplätze. Wir machen es und gemütlich bei einem Kaffee und verbringen den Morgen am See, der eigentlich nur als Übernachtungsplatz auf dem Weg nach Divrigi dient.

 


Camii Moschee in Divrigi & Sumela Kloster

Unterwegs fahren wir durch die trostlose Ortschaft Kangal. Von hier stammen die berühmten Kangal-Hirtenhunde. Die Strecke führt durch eine endlose Steppe, gefolgt von einigen Weizenfeldern und Windrädern. Divrigi liegt mitten in den Bergen. Niemals hätten wir hier – mitten im Nirgendwo - eine so grosse Ortschaft mit beachtlichen Hochhäusern erwartet. Wir steuern den Ort wegen der bekannten Uli Camii Moschee an. Zu unserer grossen Enttäuschung ist die Moschee geschlossen. Totalrenovation. Von aussen ist das Gebäude in ein grosses Baugerüst gepackt und wir können kaum etwas sehen. Einzig die drei grossen Holztore sind freigelegt. Die Tore sind wirklich eindrucksvoll und mit sehr schönen Schnitzereien geschmückt. Trotzdem sind wir etwas enttäuscht, dass wir die Moschee nach der langen Anreise nicht von innen anschauen können. Ihre Bauweise mit Holz sei sehr speziell, so gehört die Moschee zur UNESCO Weltkulturliste.

 

Am nächsten Tag fahren wir weiter Richtung Nordosten, durch einsame Gegenden und über gute und teilweise auch sehr schlechte Strassen. Da hier sehr wenig Verkehr ist, fährt auch Yvonne seit langem wieder einmal. An einer Tankstelle werden wir vom Inhaber fotografiert und er postet das Foto sofort auf Facebook. Touristen scheinen hier nicht jeden Tag vorbei zu kommen. Nach fast 7’400km erleben wir die erste Polizeikontrolle auf unserer Reise. Mitten in der Wildnis gibt uns ein Polizist das Zeichen zum Anhalten. Er weiss nicht so genau was er von uns will. Also fragen wir ihn, ob er unsere Pässe sehen will. «Yes» meint er. Nach ein paar Sekunden können wir weiterfahren, ohne dass er unsere Pässe wirklich angeschaut hat.

 

Nach der Ortschaft Gümüshane überqueren wir einen Pass. Und urplötzlich finden wir uns in einer völlig anderen Landschaft – und bei nur noch 12°C – vor. Plötzlich umgeben uns Laubbäume und Tannenwälder. Die Landschaft ist richtig grün und der Himmel ist wolkenverhangen.Kurz vor der Schwarzmeerküste ist das Sumela Kloster unser Ziel. Nach 6h Fahrt treffen wir am Abend bei Regen auf dem Besucherparkplatz ein. Wir besuchen das Kloster erst am nächsten Morgen. Oder wie sich gleich herausstellen wird, besuchen wir das Kloster leider gar nicht. Kaum zu glauben, aber auch dieses Kloster ist derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Wir laufen vom Parkplatz ca. 45 Minuten steil nach oben. Oben am Hang befindet sich das Kloster. Unten im Tal wurde schon das Eintrittsgeld für das Kloster kassiert. Ein Witz!! Denn das Kloster ist komplett geschlossen. Wir sehen lediglich von einer Terrasse auf das Baugerüst. Nach unserer Meinung eine absolute Frechheit dafür Geld zu verlangen. Am besten hätten die Klosterbetreiber unten im Tal schon darauf hingewiesen und sicherlich nicht noch Eintritt kassiert. Enttäuscht treten wir den Rückweg an und fahren in die Küstenstadt Trabzon.

 


Türkische Fussball Atmosphäre in Trabzon

Heute Abend spielt Trabzon Spor gegen Beshiktas Istanbul. Wir steuern als erstes den Fanshop an, um ein Trikot zu kaufen. Abends zuvor hat sich David Zeit genommen, um sich für das Pasolic-System zu registrieren. Um in der Türkei ein Fussballspiel live miterleben zu können, muss sich jeder Zuschauer bei PassoliG registrieren. Leider stellte sich nach der Registrierung heraus, dass nur noch Tickets im Gästesektor verfügbar sind. Das wollten wir aber auf keinen Fall. Also fand David irgendwo im Internet eine Whatsappnummer des PR-Chefs von Trabzon Spor und schilderte ihm unseren Wunsch, den Match zu besuchen, aber nicht im Gästesektor. Kurze Zeit später waren wir stolze Besitzer von zwei Freikarten für das Spiel. Wahnsinn! Vielen Dank Trabzon Sport für die Einladung.

 

Als Zeitvertrieb schlendern wir am Nachmittag durch die Innenstadt Trabzons. Sehenswürdigkeiten gibt es kaum, aber die Atmosphäre in der geschäftigen Stadt ist angenehm. Schon früh machen wir uns auf den Weg zum Stadion am Stadtrand, da wir nicht recht wissen, was uns dort erwartet. Zu unserem Erstaunen hat es keine Schlagen an den Eingängen. Wir müssen mit unserem E-Ticket noch an zum Pasolic-Schalter und erhalten eine Karton-Ticket. Mit diesem gelangen wir ins Stadion. Yvonnes mitgebrachte Lippenpomade und die Augentropfen werden am Eingang fast konfisziert. Die Dame scheint nach einigen Diskussionen – sie in Türkisch, Yvonne auf Deutsch – dann doch Mitleid zu haben und lässt und passieren. Mit Lippenpomade. 😊

 

Nach kurzem Suchen finden wir unsere Plätze – im Kids Corner von Trabzon. Ausgestattet mit Töggelikasten und Playstation. Die Stimmung im Stadion ist unglaublich. Bei jeder kleinsten Chance stehen alle Leute auf und singen lautstark und es wird geklatscht. So eine Atmosphäre haben wir noch nie erlebt. Die Fans sind wirklich hitzig. Das Resultat trägt natürlich zur guten Stimmung bei: Das Heimteam gewinnt 4-1. Nach dem Match müssen wir irgendwie wieder zurück in die Innenstadt zu unserem Parkplatz kommen. Vor dem Spiel hat unser Minibus ca. 500 Meter vom Stadion entfernt angehalten. Nach dem Spiel wartet direkt vor dem Stadion, unterhalb der Treppen, also auf dem Gehweg ein Minibus, der in unsere Richtung fährt. Die Männer machen brav Platz, damit Yvonne sitzen kann. Ganz Gentleman-like. Und der Ticket-Kontrolleur findet es so lustig und unverständlich, dass wir Touristen ausgerechnet einen Trabzon-Match schauen gingen und David im Trabzon-Trikot da sitzt, dass er uns gratis mitfahren lässt. Er lacht herzlich und will einfach kein Geld von uns.

 

Nach der wohl bislang lautesten Nacht unserer Reise – auf einem Parkplatz zwischen der 4-spurigen Hauptstrasse und dem Meer – fahren wir in die geschäftige Industriezone ausserhalb Trabzons. Heute steht der Tag ganz im Zeichen von Plutos Wohl. Nach einem Ölwechsel bei Uzman Otomotiv erhält Pluto auch noch eine Wäsche. Die Garage wurde uns von anderen Reisenden in einer App empfohlen. Wir fahren auf den Parkplatz und können kaum aussteigen, schon steht der Besitzer neben uns. Mit Google Translate erklären wir ihm, was er alles machen soll. Er macht sich sofort daran das Öl abzulassen und währenddessen organisiert sein Mitarbeiter in einem der Läden nebenbei einen passenden neuen Ölfilter. Und wir sitzen gemütlich auf zwei Hockern und trinken Tee. Auch das Quietschen, das bei starkem Lenken auftrat, beseitigt der Garagist gekonnt. Nach einer kurzen Testfahrt zusammen mit David ist alles im Lot, wir bezahlen 70 Franken und fahren knapp eine Stunde später voller verrichteter Dinge wieder vom Hof. Wenn das in der Schweiz nur auch immer so schnell, unkompliziert und günstig ginge!


Die türkischen Alpen

Am Strassenrand entdecken wir eine Bäckerei. Das Trabzon-Brot ist sehr bekannt an der ganzen Schwarzmeerküste. Auch wir kaufen uns ein solches Brot für knapp 2 Franken. Und das Brot ist riesig. Es wiegt 1.75kg. Und es schmeckt fantastisch. Fast wie ein Basler-Brot, nur mit etwas hellerem Mehl. Schön knusprig und lecker. Eines der besten Brote unserer Reise. Normalerweise vermissen wir Schweizer im Ausland ja immer das Brot. Bislang fehlt und gutes Brot noch keineswegs. Unterwegs kamen wir immer wieder in den Genuss von sehr leckerem Brot.

 

Auf dem Weg Richtung Osten zur georgischen Grenze machen wir einen Abstecher ins Landesinnere. Wir wollen die türkischen Berge sehen und fahren ins Bergdorf Ayder – ein beliebtes Reiseziel für arabische Touristen, da es hier Berge und viel Wasser gibt. Wir folgen dem Fluss Kavran Creek bergauf bis auf 1'200m.ü.M. Links und rechts der Strasse gibt es unzählige Rafting-Anbieter und Ziplines. Die steilen Hänge sind von Teeplantagen gesäumt. In Ayder erwartet uns ein Bergdorf, wie es auch in der Schweiz sein könnte. Holzhäuschen, Wälder in wunderschönen Herbstfarben, einen Fluss, Kühe und Ziegen. Die Temperatur ist wieder einiges kühler an der Küste und wir machen es uns am Abend am Lagerfeuer gemütlich.

 

Tags darauf fahren wir wieder Richtung Küste. Wir wollen am nächsten Morgen früh die Grenze nach Georgien passieren. Wir übernachten bei einer Rafting-Agentur auf dem Parkplatz. Die Agentur und das angeschlossene Restaurant haben geschlossen, da die Saison vorbei ist. Dennoch dürfen wir hier kostenlos übernachten, Strom anzapfen, das W-LAN und die Toiletten nutzen. Der Besitzer gibt uns per Whaptsapp das Einverständnis. So kommen wir an unserem letzten Abend in der Türkei einmal mehr in den Genuss der türkischen Gastfreundschaft. Einfach herrlich. Am nächsten Morgen verprassen wir auf dem Weg zur Grenze unsere letzten Liras. Wir fahren an einer langen Kolonne an Lastwagen vorbei. Der Grenzübergang kündigt sich an. Über unseren Weg nach Georgien berichten wir demnächst.

 


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