Ardabil und die Provinz Aserbaidschan
In diesem Blogbeitrag schreiben wir über den bürokratischen Wahnsinn bei der Einreise in den Iran und unser erstes bezahltes Schmiergeld. Kurz nach der Grenze erwartet uns eine Landschaft, so wie wir sie überhaupt nicht erwartet hätten. Saftig grüne Wiesen, Berge und eine Gondelbahn. In der Stadt Ardabil tauschen wir das erste Mal in die Kultur des alten Persiens ein und wir erleben, was iranische Gastfreundschaft wirklich bedeutet.
Grenzübergang Astara - Von Aserbaidschan nach Iran
Um 7 Uhr morgens klingelt der Wecker. Wir wollen möglichst früh an der Grenze sein, damit möglichst wenige Autos vor uns sind. Wir haben einige Reiseberichte über den Grenzübergang in Astara gelesen – leider nicht nur positive. Manfred, ein deutscher Reisender, den wir in Sheki getroffen haben, hat die Grenze vor ein paar Tagen passiert und uns einen Bericht mit vielen nützlichen Infos per E-Mail geschickt. Daher sind wir sehr gespannt, was uns die nächsten Stunden erwarten wird.
Schon nach 5 Fahrminuten erreichen wir die aserbeidschanische Grenze. Vor uns waren zwei Autos und ein Reisebus. Den Reisebus durften wir glücklicherweise überholen. Nachdem die beiden Autos abgefertigt waren, waren wir an der Reihe. David musste über ein grosses Loch im Boden fahren, so wie wir das vom Prüfstand im Strassenverkehrsamt in der Schweiz kennen. Ob dann auch jemand den Unterboden kontrolliert hat, wissen wir nicht. Wir mussten aussteigen, die Camper-Tür öffnen und dann unsere Pässe, das Visum und die Versicherungspapiere in einem Büro zeigen. So richtig effizient war der ganze Ablauf nicht, aber immerhin fanden alle Schritte im gleichen kleinen Büro statt. Der Grenzbeamte der für uns zuständig war, kannte die Schweiz und präsentierte uns sein Victorinox Taschenmesser. Auch an seinen Händen hing eine Schweizer Uhr. Er meinte noch, wenn wir zurückkommen, dann sollen wir mit ihm eine Runde trinken. Als Zeichen dafür, klopft er sich mit dem Zeigefinger auf die Hauptschlagader am Hals. Nach rund einer Stunde hatten wir unseren Ausreisestempel und wir fuhren über den Grenzfluss auf die iranische Seite.
Die Grenzbrücke ist ab der Mitte links und rechts mit vielen iranischen Flaggen geschmückt. Am anderen Flussufer werden wir vom iranischen Militär freundlich begrüsst und willkommen geheissen. Sie schauen kurz ins Auto und weiter geht’s. Ab hier müssen wir uns in die gleiche Schlange stellen wie die Lastwagen. Wir erreichen ein Gebäude mit vielen kleinen Fenstern, hinter denen sich die Grenzbeamten befinden. Yvonne bleibt im Auto, während David sich zum ersten Fenster begibt. Er wird umzingelt von inoffiziellen Schleppern, die einem gegen ein kleines Entgelt mit den Zollformalitäten helfen wollen. Es ist schwierig, weil man nicht genau erkennt wer offiziell ist und wer nicht. Sie fragen dauernd nach unserem Carnet de Passage. David ignoriert jedoch die aufdringlichen Helfer freundlich und uns ist bewusst, dass wir unser Carnet de Passage niemals einem solchen Helfer in die Hand geben würden. Viel zu wichtig ist dieses Dokument für uns. David begibt sich von Fenster zu Fenster und muss zwischenzeitlich immer wieder das Auto ein paar Meter weiter nach vorne fahren. Denn es gibt keinen Parkplatz oder Wartebereich, wo man das Auto abstellen könnte. Wenn also ein Einheimischer oder ein Lastwagenfahrer hinter uns schneller mit den Zollformalitäten war, kommt er trotzdem nicht an uns vorbei, da die Strasse zu eng ist. David stellt sich geduldig bei jedem Fenster an. Wir nehmen sehr wohl war, dass einige Einheimische ihre Papiere zusammen mit einem Geldschein durch die Fenster reichen. Dann werden unsere Papiere jeweils beiseitegelegt und die Einheimischen-Papiere haben eine höhere Priorität. Wir haben ja Zeit! 😊 Der Beamte im etwa fünften Fenster inspiziert dann unser Fahrzeug. Die vielen inoffiziellen Helfer sind jedoch noch immer um unser Fahrzeug herum. Erst jetzt, als unsere Fahrzeugtüren geöffnet sind, geben sich zwei Sicherheitsleute in Uniform zu erkennen. Sie halten die Helfer etwas von unserem Fahrzeug zurück, während der Offizielle (wieder in Zivilkleidung) das Fahrzeug begutachtet. Die Kontrolle ist nicht sehr akribisch. Umso besser, dass unser Salami im Kühlschrank unentdeckt bleibt.😊 Wir hatten uns die Fahrzeug-Inspektion viel strenger vorgestellt. Dann dürfen wir weiterfahren, aber fertig ist für uns hier noch nicht. Wohin wir jetzt genau müssen, ist uns nicht klar. Die Schilder sind nur noch auf Farsi angeschrieben und uns sagte niemand wohin wir jetzt sollen. Die vorher achso hilfsbereiten Schlepper halfen uns jetzt auch nicht, da sie wussten bei uns ist nichts zu holen. Von Manfred wussten wir jedoch, dass wir zu einem weissen Gebäude mit Antenne und einer grossen iranischen Flagge sollen. Leider sehen wir weit und breit keine iranische Flagge. Daher landen wir zuerst beim falschen Gebäude. David irrt etwas auf dem Gelände herum, während Yvonne beim Fahrzeug bleibt. Wir wissen, dass unser Carnet de Passage noch gestempelt werden muss. Ein hilfsbereiter Truckfahrer schickt uns dann weiter zum richtigen Gebäude, welches versteckt hinter allen Lastwagen liegt. Da das Zollgelände recht gross ist und hunderte von Lastwagen herumstehen, parkieren wir Pluto am Wegesrand und laufen die letzten Meter zum Gebäude zu Fuss. Wir erreichen ein etwa 50 Meter langes Gebäude mit vielen Schaltern. Am letzten Schalter soll unser Carnet gestempelt werden. Der Herr am Schalter spricht sehr langsam Englisch und sagt immer wieder «No Problem», wir sollen nur fünf Minuten warten. Dann kommt irgendein Helfer, der einen Stempel hervorkramt. Es ist sehr schwierig zu wissen, wer hier wirklich offiziell arbeitet und wer nicht. Niemand auf dem ganzen Grenzgelände trägt eine Uniform. Während sich David mit dem langsam-sprechenden Typen unterhält, sieht Yvonne wie das Carnet gestempelt wird. Und unsere grösste Angst trifft ein… der Herr müsste den obersten und den untersten Teil des A4 Blattes stempeln. Aber nein, er Stempelt den obersten und den mittleren Teil. Unser Export-Voucher hat jetzt also schon einen Entry-Stempel drauf. Na super!! Da wir gelesen haben, dass in einem solchen Fall besser ein komplett neues Carnet-Blatt ausgefüllt wird anstelle etwas zu korrigieren, bitten wir darum eine zweite Seite von neuem auszufüllen. Doch der Herr weigert sich. Sein «No Problem» kann er sich jetzt dann wo anders hinstecken! Und zu guter Letzt tauchen auch genau jetzt noch drei weitere Herren auf. Sie wollen Pluto sehen. Also läuft David zurück zum Auto und fährt vor das Gebäude. Wir wissen von Manfred, dass er für den Carnet-Stempel 20$ Schmiergeld bezahlen musste… Irgendwie sagt uns unser Gefühl, dass dieser sehr bestimmend wirkende Herr dieses Geld jetzt gleich will. Sie inspizieren das Auto kurz und überprüfen die Stammnummer. Auf dem Rückweg ins Büro kritzelt der Herr mit einem Kugelschreiber 20$ auf seine Hand. Aha, wir lagen also richtig. Wir sagen ihm, dass wir vom Verkehrsministerium wissen, dass die Einreise kostenlos sei. Dann wird er etwas aufmüpfig. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir eine Quittung wollen. Zurück im Büro, füllt ein unwichtiger Handlanger unser Carnet weiter aus. Der Chef will gleichzeitig unsere 20$, aber der Stempel ist ja noch immer am falschen Ort. Wir verlangen nochmals, dass sie eine komplett neue Seite des Carnets richtig ausfüllen sollen. Aber die Herren weigern sich. Somit haben wir nun insgesamt 8 Stempel auf unserem Carnet, auf der Vorder- und Rückseite. Eigentlich hätten zwei Stempel gereicht. Mal schauen, was das bei der Ausreise für Folgen haben wird… Und wir haben das erste Schmiergeld unserer Reise bezahlt. Die handgeschriebene «Quittung» auf Makulatur-Papier haben wir schon weggeschmissen.
Wir fahren weiter, ohne dass wir eine Ahnung haben, wo sich der Ausgang aus dem Zollgelände befindet. Lastwagenfahrer weisen uns den Weg. Vor dem Ausgang stehen wieder unzählige Lastwagen in einer Kolonne. Doch die Fahrer geben uns zu verstehen, dass wir sie überholen und an der Schlange vorbeifahren dürfen. Dann stehen wir vor einer Schranke. Links davon ist ein kleines Häuschen, das nur auf Farsi beschriftet ist. Wir gehen hin und fragen, ob wir hier noch etwas mit unseren Dokumenten tun müssen. Ein Herr schickt uns ein Büro weiter. Dort wird das Carnet nochmals auf der Rückseite gestempelt, warum auch immer. Das scheint ein ranghoher Beamter zu sein. Und hier erleben wir das erste Mal die iranische Gastfreundschaft: wir werden einfach so zum Tee eingeladen. Nach dieser wohlverdienten kurzen Zwischenpause passieren wir die letzte Barriere und es heisst: Welcome to Iran! Wir haben es geschafft. Wir sind nach 3 Stunden im Iran.
Passstrasse von Astara nach Ardabil

Der Grenzübergang in Astara ist auch deswegen speziell, weil er sich nicht irgendwo im nirgendwo befindet, sondern mitten in der Stadt. Also muss sich David sehr schnell an die iranischen Verkehrsregeln gewöhnen. Wir sind mitten in der Stadt und müssen erst mal raus aus der Stadt finden. Wir wollen nach Ardabil. Google Maps und auch das Garmin Navi wollen uns immer über einen riesigen 5-stündigen Umweg schicken. Doch auf der Karte gibt es einen sehr direkten Weg von nur gerade 78 Kilometer. Wir verstehen nicht, wieso die Navis diesen Weg nicht nehmen wollen. Auf gut Glück versuchen wir es einfach und würden umdrehen, wenn es nicht mehr weiter ginge. Doch uns erwartet eine wunderschöne Pässefahrt entlang der aserbaidschanischen Grenze. Diese Region im Iran nennt sich übrigens auch Aserbaidschan, es gibt einen Bezirk West- und einen Ost-Aserbaidschan. Die Gegend ist hügelig und sehr grün. Wir sehen Reisfelder und Schneeberge. Wunderschön. So hatten wir uns den Iran nicht vorgestellt. Ein wenig erinnert uns die Gegend an die Berge in Indien. Und vor allem eines erinnert uns an Indien: Der Verkehr! Die Regeln durchblicken wir noch nicht. Überholen kann man überall, zu jeder Zeit, egal ob in der Kurve oder wenn Gegenverkehr naht. Einzig die Tucktucks und das Gehupe fehlen. Aber sonst erinnert uns das ziemlich an den indischen Verkehr. Mal schauen, wie wir die nächsten Tage damit zurechtkommen werden.
Ardabil - Antike Stadt in der Provinz Aserbaidschan