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Süd-Aserbaidschan, Baku und Skifahren in Shahdag

Die Corona-Krise erreicht auch den Kaukasus

Wir sind froh, konnten wir Aserbaidschan quasi in letzer Sekunde noch erreichen. Nur ein Tag später schliesst die Grenze zwischen Aserbaidschan und Iran. Die Regelung besagt, dass wir erst in 14 Tage ohne Quarantäne nach Georgien weiterreisen dürfen. So verweilen wir die nächsten zwei Wochen in Aserbaidschan und machen das Beste aus der Situation. Anfangs März ist das Corona-Virus noch kein grosses Thema hier. Wir besuchen eine brennende Wasserquelle, werden von freundlichen Einheimischen eingeladen, gehen im Kaukasus Skifahren und geniessen die Vorzüge des modernen Baku. Nach zwei Wochen überstürzen sich die Ereignisse und wir müssen schweren Herzens einschlägige Entscheidungen treffen.


Iran



Mit Erleichterung in Astara

Wir haben es geschafft. Wir konnten den Iran über die letzte noch offene Grenze nach Aserbaidschan verlassen. Wir und auch Henning und Runan, die wir an der Grenze kennengelernt haben, sind heilfroh, nicht mehr im Iran zu sein. Nur zwei Kilometer nach der Grenze befindet sich ein gemütlicher Stellplatz an der Promenade. Dort schlagen wir unser Lager auf. Die Erleichterung ist sichtlich zu spüren. Wir schlendern durch die Ortschaft und geniessen unsere "Freiheit". Hier ist vom Corona-Virus nicht viel zu spüren. Kaum jemand trägt einen Mundschutz oder Handschuhe. Doch für Runan ist es nicht ganz so angenehm. Als gebürtige Chinesin wird sie aufmerksam gemustert und wir hören immer wieder Leute tuscheln "Corona, Corona". Das ist bestimmt nicht angenehm für sie. Nicht jeder, der asiatisch aussieht, ist automatisch infiziert. Wir besorgen uns in einem kleinen Laden eine Simkarte. Wahrscheinlich haben wir zu viel bezahlt, doch hier in Astara gibt es keinen offiziellen Azercell-Shop. Doch das ist uns gerade egal. Uns ist wichtig, dass wir die Daheimgebliebenen informieren können, dass wir aus dem Iran draussen sind und dass wir uns über die Situation an den weiteren Grenzen informieren können. In einem Supermarkt wird David herzlich von einem älteren Herrn begrüsst. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir aus der Schweiz sind. Er schüttelt minutenlang Davids Hände, strahlt über beide Ohren und labert etwas von "Hitler, Hitler". Das ist schon das zweite Mal in Aserbaidschan, das wir auf Hitler angesprochen werden. Speziell…


Am nächsten Morgen geniessen wir ein gemütliches Frühstück zu viert am Meer. Ein älterer Herr fährt auf dem Fahrrad vorbei und fragt uns, ob wir noch etwas aus dem Supermarkt brauchen. Genauso gastfreundlich haben wir die Aserbaidschaner in Erinnerung. Schön, wieder hier zu sein.


Brennende Wasserquelle Yanar Bulag

Unsere Freunde fahren weiter zu den Schlammvulkanen und wir fahren zum Yanar Bulag. Dabei handelt es sich um einen Brunnen. Aus der Quelle sprudelt Wasser. Wir halten ein Feuerzeug oberhalb des Wassers hin und die Luft entzündet sich. Brennendes Wasser. Das ist wirklich etwas ganz Spezielles. Wir wissen nicht genau wie das funktioniert. Ein Einheimischer füllt gerade einen Wasserkanister auf. Wir fragen ihn, ob das Trinkwasser sei und er bejaht. Zwei Minuten später hat uns dieser Herr namens Elcin zum Mittagessen bei sich zu Hause eingeladen. Da wir nichts vor haben, nehmen wir die Einladung an. Elcin fährt mit seinem Mercedes Sprinter voraus und wir folgen ihm mit unserem Camper mitten durch die engen Holperstrassen durch das Quartier.

Elcin wohnt in einem sehr schönen, zweistöckigen Haus. Es sieht von Innen und von Aussen ziemlich modern aus. Im Erdgeschoss befinden sich die Gemeinschaftsräume, Küche, Bad und das Wohnzimmer. Im Obergeschoss befinden sich die Schlafzimmer. Seine Mutter und seine Frau eilen soeben aus dem Garten herbei. Die Frau führt im Nachbargebäude einen Frisörsalon und eine Schneiderei für Frauen. Für uns Gäste lassen sie jedoch kurzzeitig alles stehen und liegen. Innert kürzester Zeit ist der Tisch mit edlem Silberbesteck und schöne verziertem Porzellangeschirr gedeckt. Sie tischen Reis mit Rosinen, Hühnchen, Salat, Brot und frische Gurken auf. Das meiste stammt direkt aus ihrem Garten. Die Frauen gehen zurück an die Arbeit und wir geniessen mit Elcin ein leckeres Mittagessen. Seine jüngste Tochter übersetzt ab und zu auf Russisch, wenn die Aserbaidschanische Übersetzung auf Google Translate unverständlich ist. Englisch spricht niemand. Wir unterhalten uns prima und erfahren viel Spannendes über Elcin und seine Familie. Da wir heute noch keine 10 Kilometer gefahren sind, machen wir uns am späten Nachmittag auf die Weiterreise. Erneut kommen die Frauen in den Garten um uns zu verabschieden. Natürlich dürfen alle einen Blick in unseren Camper werfen. Als Elcins Frau unseren Kühlschrank sieht, eilt sie sofort zurück ins Haus. Und sie kommt mit vollen Händen zurück: Sie bringt uns Reis, Hühnchen und Brot. Ein riesengrosses Glas mit Marmelade, einen Sack voller Kumquats, zwei neue Handtücher und ein Sitzkissen. Wir wollen all die Geschenke nicht annehmen, doch für die Aserbaidschaner ist eine solch grenzenlose Gastfreundschaft scheinbar normal. Einmal mehr sind wir sehr berührt ab diesen herzlichen Menschen, die wir kennenlernen durften. Wir hoffen, dass wir den Kontakt zu Elcin und seiner Familie mittels Google Translate und Whatsapp aufrechterhalten können. Elcin fährt mit seinem Lieferwagen voraus bis zur Autobahneinfahrt und weisst uns den Weg für unsere Weiterreise.


Das Coronavirus und seine Folgen – unser Plan A, B, C und D

Auf der Autobahn sehen wir eine kilometerlange Schlange mit Lastwagen, die Richtung Iran reisen wollen. Unsere Freunde stecken noch immer an der Grenze in Quarantäne fest. Sie haben keine Ahnung, wann sie weiterreisen können. Wir erfahren von anderen Reisenden, dass die Grenze nur 24 Stunden nach unserer Einreise geschlossen wurde. Somit gibt es keine Möglichkeit mehr, den Iran zu verlassen. Wir hatten wirklich riesengrosses Glück, dass wir es noch rechtzeitig aus dem Iran geschafft haben. Vielleicht wollen die Lastwagenfahrer gar nicht in den Iran einreisen, solange es für sie keine Möglichkeit mehr zur Ausreise gibt. Anders können wir uns die riesige Schlange nicht erklären.

Wir fahren noch etwa 60 Kilometer bis nach Lenkaran und verbringen dort die Nacht am Kaspischen Meer. Da wir im Herbst schon knapp zwei Wochen in Aserbaidschan waren und das Land leider nicht sehr viele Highlights zu bieten hat, wollen wir nicht allzu lange hier bleiben. Doch mit der aktuellen Situation des Corona-Virus ist die Weiterreise nicht ganz einfach, vor allem wenn man wie wir im Iran war. Gemäss Georgischem Aussendepartement dürfen Reisende frühestens 14 Tage nachdem sie den Iran verlassen haben, nach Georgien einreisen. Doch im gleichen Schreiben steht auch geschrieben, dass keine Fahrzeuge nach Georgien gelassen werden, die im Iran waren. Auch nicht Transit. Das ist für uns natürlich nicht gut.


Option 2 wäre eine Weiterreise über Russland nach Kasachstan. Doch hier in Baku erhalten wir höchstens ein 10-tages Transit-Visum für Russland. Das bedeutet, dass wir pro Tag etwa 500km fahren müssten. Und in Kasachstan droht eine 14-tägige Quarantäne für Reisende, die in Aserbaidschan waren. Plan C wäre eine Fähre über das Kaspische Meer, von Baku nach Kasachstan. Doch haben wir gerade ziemlich die Schnauze voll von Fährverbindungen und willkürlicher Bürokratie, daher kommt das für uns nicht in Frage. Die Fähre hat oft tagelang Verspätung (nicht nur Stunden!) und wie wir von einem Schweizer Paar erfahren, dürfen momentan keine ausländischen Privatfahrzeuge auf die Fähre.

 

Somit kommen wir zur nächsten Option, die für uns Interessanteste: Wir fahren zurück nach Georgien, um dann von dort weiter durch Russland zu reisen. Eigentlich wollten wir erst Ende Sommer bzw. im Herbst auf dem Heimweg von Zentralasien nach Russland. Doch momentan scheint das für uns die beste Lösung zu sein. In Zentralasien sind viele Grenzübergänge geschlossen, an diversen Orten droht Quarantäne und die Lage ist sehr unübersichtlich. Da dort die Länder eher klein sind, müssten wir recht oft Grenzen überqueren. Daher haben wir uns entschieden, dass wir in der Schweiz über eine Agentur ein 3-monatiges Visum für Russland beantragen. Es dauert etwa einen Monat, bis wir das Visum haben. So lange bleiben wir in Georgien. Je nach Lage machen wir einen Abstecher nach Armenien. Dann wollen wir von Mitte April bis Mitte Juli nach Russland. Das Land ist gross, drei Monate sind lang und wir erhoffen uns, dass sich bis im Juli die Lage in Zentralasien entspannt hat und wir unsere Reise durch die Stan-Länder fortsetzen können. Es bleibt spannend.


Moderne Hauptstadt und Skifahren im Kaukasus

Wir fahren in die Hauptstadt Baku und geniessen ein paar gemütliche Tage. Erneut ist es sehr windig hier, was die Nächte im Camper etwas unangenehm macht. Doch nach einem feuchtfröhlichen Abend mit Henning und Runan – keine Ahnung wann wir das letzte Mal so spät ins Bett gingen –können wir prima schlafen. Ob das am vielen Bier oder am Aserbaidschanischen Rotwein lag, sei dahingestellt. 😊

Uns Schweizer zieht es schon bald in die Berge. In der Nähe von Xizi entdecken wir ein schönes Seitental. Bis vor kurzem lag hier noch Schnee, die Wege sind noch ziemlich matschig. Daher bleiben wir auf der Hauptstrasse und verlassen den Asphalt nicht. Die Landschaft ist wunderschön. Das Gebiet ist unter dem Namen "Candy Cane Mountains" bekannt. Die Hügel sind ganz farbig, von Rot über Grün, Orange, Braun. Wirklich schön. Als wir am Strassenrand anhalten um Fotos zu machen, werden wir von einem Bauern zum Tee eingeladen. Er pfeift seine vielen Hirtenhunde zurück, damit wir sein Grundstück betreten können. Auf seiner sehr einfachen Farm hat er Hühner, Gänse, Kälber und in der Nähe grast seine Schafherde. Wir setzen uns in der Sonne auf eine Bank. Seine Frau bringt soeben eine Tischdecke und Tee. Kurz darauf wird der ganze Tisch mit Leckereinen bestückt. Eingelegte Kirschen und Aprikosen, selbstgemachter Honig, Brot, Frischkäse, Weichkäse,... wir sind wirklich beeindruckt. Vor allem der selbstgemachte Honig schmeckt uns super lecker. Wir verbringen ein paar gemütliche Stunden mit Firudin und seiner Frau. Er ist gebürtiger Armenier und schon vor vielen Jahren nach Aserbaidschan geflüchtet. Auch hier hilft uns Google Translate wieder weiter. Als Dankeschön für die nette Gastfreundschaft kaufen wir ihnen ein Glas Honig und Eier ab.

Wir fahren weiter Richtung Norden. Diese Strasse führt vom Iran nach Russland, sozusagen eine Transit-Passage durch Aserbaidschan. Viele Lastwagen sind unterwegs. Wir sehen zwei Mal einen Konvoi mit Lastwagen, die von der Polizei eskortiert werden. Wahrscheinlich werden die Lastwagen von der iranischen zur russischen Grenze eskortiert und sie dürfen nirgendwo halten, aus Angst vor dem Corona-Virus. Es ist wirklich erstaunlich, in wie schlechtem Zustand die Strasse ist. In der Hauptstadt Baku sind die Strassen sehr gut und es gibt unzählige Protzbauten. Doch hier ausserhalb der Hauptstadt scheint es kein Geld zu geben, um eine der wichtigsten Verkehrsachsen in Schuss zu halten. Die Prioritäten scheinen ganz wo anders zu liegen. Komisch.

Unser heutiger Übernachtungsplatz könnte gerade so gut in der Schweiz sein. Wir befinden uns auf etwa 1400m.ü.M. bei der Talstation eines Skilifts. Neben uns sind die Pistenfahrzeuge parkiert, vor uns sehen wir die Sessellifte und ein Hotel. Der Parkplatz ist fast leer. Und das wird auch am nächsten Morgen so bleiben. Bei strahlendem Sonnenschein erwachen wir. Perfektes Wetter, um die Bergwelt zu entdecken. David mietet sich für etwa 40 Franken Skis der Marke Head, Schuhe und einen Helm. Die Tageskarte kostet knapp 17 Franken. Davon hat er als Kind immer geträumt. Ein Mal im Leben das Skigebiet für sich alleine zu haben. Es sind kaum andere Leute unterwegs. Die Pisten sind in gutem Zustand, wenn auch künstlich beschneit. Im ganzen Skigebiet gibt es 238 Schneekanonen. Ohne den künstlichen Schnee könnte hier nur knapp ein Monat lang Ski gefahren werden. Während David das perfekte Wetter auf der Skipiste geniesst, geniesst Yvonne die Sonne auf einem gemütlichen Sofa und beantragt das Visum für Russland und versucht uns in Aserbaidschan zu registrieren. Wenn man mehr als 15 Tage im Land bleiben will, muss man sich registrieren. Entweder macht man das selber online oder ein Hotel übernimmt die Registrierung. Leider scheitert der Online-Versuch. Die Website ist ziemlich schlecht, es erscheinen immer wieder Fehlermeldungen und die Daten können irgendwie einfach nicht gespeichert werden.

Kurz nach unserer Ankunft in den Bergen werden wir von einem Mann auf Französisch angesprochen. Er erzählt uns, dass er aus Andorra stammt und hier arbeitet. Die Firma PGI Management hat hier beim Aufbau der Skiregion geholfen, Mitarbeiter der Skischulen, der Hotels und des Managements geschult. Diverse Mitarbeiter aus Andorra arbeiten noch immer hier in der Region. Langfristig ist es aber das Ziel, dass für alle Positionen Einheimische nachgezogen werden. Nebst diesem Projekt hat PGI auch diverse Tourismusprojekte in Usbekistan, in den Anden und in anderen Teilen der Welt unterstützt.

Am nächsten Tag machen wir eine kleine Wanderung. Grössere Wanderungen sind in dieser Region schwierig. Da wir uns hier im Grenzgebiet zu Russland befinden und sich in der Nähe noch ein Nationalpark befindet, werden für gewisse Gebiete spezielle Bewilligungen benötigt. Daher machen wir nur eine kleine Wanderung in der Nähe der Skilifte. Wir kämpfen uns steil bergauf, entlang der Skipiste zur Mittelstation. Dann geht es vorbei an mehreren noblen Hotels zu einem kleinen See, der noch gefroren ist. Es sieht fast so aus, als ob es sich hierbei um einen künstlichen Badesee handelt. Wir sehen Einstiegstreppen und Toiletten und Duschen. Doch so richtig genau können wir das nicht sagen, denn vieles ist noch immer unter einer Schneeschicht begraben. Plötzlich werden wir von einem der wenigen Skifahrer angesprochen. Er fragt uns, ob wir die Schweizer seien. Unser Auto auf dem Parkplatz muss wohl ziemlich auffällig sein und da wir fast das ganze Skigebiet für uns alleine hat, ist es wohl naheliegend, dass wir, diese zwei Wandervögel, die Schweizer sein müssen. 😊 Auch er (leider wissen wir seinen Namen nicht mehr), arbeitet für die Firma PGI aus Andorra. Wir lösen einen Fussgänger-Pass für den Sessellift und fahren hoch zur Bergstation auf 2’351m.ü.M. Die Bergstation und das angrenzende Restaurant sehen noch sehr neu aus. Die Terrasse ist mit gemütlichen Holztischen und Bänken ausgestattet. Wir geniessen die Sonne und lassen uns ein paar Leckereien servieren. Herrlich dieses Frühlingswetter. Und das bei bester Aussicht Richtung Kaspisches Meer und Richtung Russland. Am frühen Abend wird es etwas kühler und wir machen uns wieder auf den Rückweg zu unserem Pluto. Dank unserer Gasheizung haben wir es in der Nacht gemütlich warm.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag zurück nach Baku. Doch das Wetter ist einfach zu schön, um nicht noch länger in der schönen Bergwelt Aserbaidschans zu blieben. Also mietet sich David nochmals Skis für den Tag und Yvonne geniesst die Sonne im Tal. Erneut zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben – nach einer weiteren Nacht auf dem Parkplatz der Gondelbahn verlassen wir Berge in Richtung Hauptstadt. Die Strecke zurück nach Baku zieht sich ziemlich. Und wir müssen unterwegs noch unsere Gasflaschen auffüllen. Wir hoffen sehr, dass wir dieses Mal Gas erhalten. Im Oktober haben sich noch alle Tankstellen geweigert, uns etwas zu verkaufen, da für die kommenden Tage eine Preiserhöhung angekündigt war. Daher sind wir sehr erleichtert, als wir bereits an der ersten LPG-Tankstelle sofort unsere Schweizer Gasflaschen auffüllen können. Die Fahrt nach Baku ist alles andere als angenehm. Im Norden ist es extrem windig. Wir haben frontalen Gegenwind. Wir können nur im 4. Gang fahren, sonst hat Pluto nicht genug Kraft. Unser Verbraucht zeigt über 19 Liter an. Krass was dieser Wind bewirken kann. Normalerweise bewegt sich unser Verbrauch so um die 12-13 Liter auf 100 Kilometer. Doch nicht nur der Wind macht uns das Leben schwer. Auch die Strassenzustände lassen zu wünschen übrig. War die Fahrt Richtung Norden schon sehr holprig, gestaltet sich die Rückfahrt nach Baku noch viel holpriger. Wir werden durchgeschüttelt und die Stossdämpfer müssen einiges abfedern. Armer Pluto. Arme Insassen. Kurz vor Baku nimmt der Verkehr drastisch zu und wir landen auch noch im Stau. Eigentlich sind drei Fahrspuren auf dem Asphalt eingezeichnet. Doch die Aserbaidschaner verwandeln die Strasse kurzerhand in eine fünfspurige Fahrbahn. Oh man, oh man. Das ist wirklich nicht einfach zu fahren für David, zumal wir deutlich breiter sind als die meisten Fahrzeuge hier. Irgendwann schaffen wir es dennoch – unfallfrei – wieder zu unserem Stellplatz beim Riesenrad in Baku.


Mission Quarantäne & Steaks im Biergarten

Am Abend sind wir erneut mit Henning und Runan verabredet. Sie haben ein paar Tage ein Apartment gemietet und uns angeboten, bei ihnen Wäsche zu waschen und uns zu duschen. Doch als wir auf dem Weg zu ihrer Unterkunft sind, schreiben sie uns, dass bei ihnen das Wasser abgestellt wurde. Also wird aus der Wäsche-Party halt kurzerhand ein Apéro-Nachmittag. Während wir gemütlich zusammensitzen, erreicht uns eine Nachricht von Timmy und Duygu, die noch immer in Quarantäne stecken. Sie bitten uns, ihnen ein paar Sachen vorbei zu bringen. Ihr Camper steht noch immer knapp 300 Kilometer entfernt an der Grenze in Astara, während sie mittlerweile in ein Krankenhaus in Baku verlegt wurden. Noch immer, auch nach 10 Tagen in Quarantäne, haben die beiden keine Symptome. Sie erhalten keine Infos und keine Unterstützung von ihrer Botschaft. Daher bringen wir ihnen ein paar Sachen vorbei, um die sie uns gebeten haben, z.B. Flipflops zum Duschen, Schalen und Besteck, frische T-Shirts, Joghurt usw. Zu viert laufen wir auf das Spitalgelände, obwohl die Besuchszeit eigentlich schon vorbei ist. Wir haben ihre «Bestellung» in drei Einkaufstüten verpackt und diese zugeknöpft. Auf ihren Wunsch hin, haben wir ihnen auch Bargeld organisiert. Wir hoffen, dass das Geldversteck (in einer Tafel Schokolade) vom Krankenhauspersonal nicht gefunden wird. Wir rufen sie an, als wir auf dem Spitalgelände sind, da wir nicht wissen, in welchem Gebäude sie sind. Plötzlich hören wir Timmy durchs Fenster rufen. Wir sind also beim richtigen Gebäude und begeben uns zum Eingang. Dort befinden sich zwei Sicherheitsleute. Timmys Frau erklärt den Security am Telefon was wir wollen. Er versteht und nimmt die Tüten entgegen. Ins Treppenhaus kommt eine Krankenschwester von der Quarantänestation, um die Sachen entgegen zu nehmen. Wir unterhalten uns mit Timmy und Duygu durchs Fenster. Ihr Zimmer ist im zweiten Stock und wir stehen unten im Hof. Nach ein paar Minuten werden die Einkaufstüten zu ihnen ins Zimmer gebracht. Fast alles ist noch da, nur das Bier haben die Krankenhaus-Mitarbeiter konfisziert. Glücklicherweise ist alles andere, inklusive Bargeld, bei ihnen angekommen. Am meisten freuen sich die beiden wohl an der Pizza, die wir vorhin bei Domino geholt haben. Eine wohltuende Abwechslung zum ziemlich schlechten Krankenhaus-Essen. Nun geht es noch um unser eigenes Wohl. Wir vier begeben uns zu Pauls Biergarten. Dort soll es die wohl besten Steaks ausserhalb Amerikas geben, so der Tipp eines Freundes. Und in der Tat: die grossen, perfekt auf Holzkohle gegrillten Steaks, das leckere Schnitzel und der frische Kartoffelsalat schmecken ausgezeichnet. 😊

Am nächsten Tag sind wir nicht sonderlich produktiv. Der Abend mit Henning und Runan hat erst sehr spät bzw. fast schon wieder früh in einer Weinbar geendet. Die beiden machen sich auf den Weg in die Berge und wir beschliessen, ein paar Tage ein Apartment in Baku zu mieten. Der Wetterbericht sagt für die nächsten vier Tage starken Wind voraus. Das ist recht unangenehm im Camper. Daher buchen wir ein günstiges Apartment mit einer Waschmaschine, damit wir unsere Wäsche waschen können. Nach dem Mittag beziehen wir das kleine Apartment. Auf den ersten Blick wirkt es ganz okey. Auf den zweiten Blick wirkt es aber leider nicht sehr sauber. Das Bad ist voller Schimmel, in diese Badewanne würden wir uns nie legen. Die Bettwäsche ist frisch gewaschen, hat aber ziemlich komische Flecken. Wir schlafen in unseren Kleidern und holen am nächsten Tag unsere eigenen Decken im Pluto. Es ist halt schon schön, sein eigenes Bett auf vier Rädern zu haben. Dafür können wir hier endlich mal wieder alles Waschen und lange warme Duschen geniessen. Und das alles einen Katzensprung vom Zentrum entfernt, mit Meersicht.


Overlander Treffen in Baku

Da sich das Coronavirus immer weiterverbreitet, wollen wir ab Mitte April für drei Monate nach Russland, damit wir vorerst keine Grenzen überqueren müssen. Bis im Sommer hat sich die Lage dann hoffentlich entspannt und wir können wie geplant durch Zentralasien reisen. Daher beantragen wir während unserem Aufenthalt in Baku über eine Visumagentur in Luzern das Russland-Visum. Es dauert einige Zeit bis wir den Online-Antrag ausgefüllt haben, wir benötigen von der Reiseversicherung eine Englische Bestätigung und aktuelle Passfotos. Das Visum sollte innert zwei Wochen ausgestellt sein und wir werden uns dann unsere Zweitpässe nach Georgien schicken lassen. Das war zumindest unser Plan. Doch soweit wird es nicht kommen...

Wir sind bereits seit ein paar Tagen mit anderen Overlandern in Kontakt. Die Schweizer Anja und Michael haben wir eigentlich um einen Tag in Baku verpasst. Sie wollen von hier die Fähre nach Kasachstan nehmen, um so nach Usbekistan zu gelangen. Doch leider wurde wegen dem Coronavirus der Fährbetrieb eingestellt. Es dürfen nur Lastwagen und Einheimische aufs Schiff. Touristen sind nicht erlaubt. Daher kehren die beiden nach ein paar Tagen des Wartens am Hafen zurück nach Baku. Wir treffen uns am Abend mit ihnen. Von Georgien her sind die Deutschen Inken und Patrick mit ihrem Camper ebenfalls in Baku eingetroffen. Kurzerhand treffen wir uns zu sechst zu einem gemütlichen Abend unter Overlandern. Es ist immer wieder schön sich mit anderen Reisenden über das Erlebte, das Geplante und die Fahrzeuge auszutauschen. Und mal wieder Schweizerdeutsch zu sprechen ist auch sehr angenehm. 😊


Von Baku an die georgische Grenze

Das Wetter ist ziemlich durchzogen während unserem Aufenthalt in Baku. Wegen dem Coronavirus sind auch die ersten Museen und sonstigen Sehenswürdigkeiten geschlossen. Daher verbringen wir recht viel Zeit im Apartment und schreiben an unserem Blog. Wir verfolgen auch täglich die News rund um das Coronavirus und die aktuellen Grenzschliessungen. Wir wollten weiter nach Georgien, um dort auf das Russland-Visum zu warten. Aserbaidschan hat irgendwie nicht wirklich viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Daher wollen wir hier nicht stecken bleiben.

Wir fahren also nachdem wir 14 Tage aus dem Iran draussen sind, Richtung georgischer Grenze. Der Weg zieht sich und wir verbringen einmal mehr fast den ganzen Tag im Auto. Eigentlich wollten wir unterwegs noch den Göygöl See anschauen. Doch wir haben nicht wirklich Lust dazu. Daher fahren wir einfach weiter und übernachten etwa 100km vor der Grenze, kurz bevor es dunkel wird. Wir fahren irgendwo rechts weg und folgen ein paar Feldwegen, bis wir ein gemütliches Plätzchen mitten im Nirgendwo finden. Leider haben wir hier keinen Handyempfang. Das stellt sich am nächsten Morgen als ziemlich blöd heraus.

Die Nacht an diesem Plätzchen war wunderbar ruhig. Nach dem Frühstück fahren wir wieder zurück zur Hauptstrasse und wir wollen die letzten 100km zur Grenze zurücklegen. Doch sobald wir wieder Handyempfang haben, erreichen uns leider ungute Neuigkeiten. Die Georgier haben gestern beschlossen, dass sie um Mitternacht die Grenze zu Aserbaidschan und zu Armenien schliessen werden. Hätten wir diese News gestern Abend um 22 Uhr noch erfahren, wären wir wohl trotz Dunkelheit noch weiter bis zur Grenze gefahren. Aber so wie es nun in den Nachrichten steht, kommen wir hier nicht mehr weiter. Henning und Runan, die wir in Baku getroffen haben, sind ebenfalls auf dem Weg zur Grenze und etwa eine Fahrstunde hinter uns. Und endlich wurden Timmy und Duygu aus der Quarantäne entlassen. Auch sie sind auf dem Weg zum Grenzübergang bei der roten Brücke.

Wir wollen es trotzdem versuchen. Also fahren wir zum Grenzübergang bei der roten Brücke. Einige Lastwagen warten rechts am Strassenrand. Doch das grosse Gittertor ist geschlossen. Wir fahren direkt vors Tor, doch der Zöllner schickt uns weg. Er spricht kein Englisch. Wir parkieren unseren Pluto ein paar Meter weiter weg und gehen zu Fuss zurück an den Grenzübergang. An einem Infoschalter teilt uns ein Zöllner mit, dass wir nicht nach Georgien einreisen dürfen. Die Grenze sei nur noch für Einheimische geöffnet, die zurück nach Georgien wollen. Er ruft jemanden an und fragt nach, ob er uns Schweizer wirklich nicht durchlassen darf. Leider nein. Also drehen wir um. Ganz in der Nähe befindet sich ein zweiter Grenzübergang. Luftlinie sind es nur 7.5 Kilometer bis nach Sadiqli. Doch leider führt nur die Strasse nicht direkt dorthin, da ein Fluss im Weg ist. Also fahren wir einen grossen Teil der heute gefahrenen Strecke zurück zu einem Abzweiger. Der Umweg zur zweiten Grenze dauert 1.5 Stunden. Wir fahren über kleine Landstrassen und diverse Gleisübergänge. Nichts deutet darauf hin, dass sich hier ein Grenzübergang befinden könnte. Plötzlich tauchen links und rechts ein paar Häuser auf. Und mitten in dieser kleinen, verschlafenen Ortschaft endet die Strasse vor einem Tor. Das ist dann wohl der Grenzübergang. Hinter dem Tor sehen wir die georgische Flagge. Wir sind also am richtigen Ort. Doch leider ist auch dieses Tor geschlossen. Die Zöllner sind sehr freundlich und sie geben uns zu verstehen, dass nicht sie - die Aserbaidschaner - das Problem sind, sondern dass die Georgier uns nicht einreisen lassen würden. Daher dürfen sie uns nicht ausreisen lassen. Ein Reisebus lässt einige Fussgänger hier aussteigen. Das sind wahrscheinlich alles Georgier, die nach Hause wollen.

Wir warten in der Nähe des Grenzüberganges, da unsere vier Deutschen Freunde auch auf dem Weg hier hin sind. Duygu und Timmy sind mit einer Eskorte unterwegs, da sie von der Quarantäne direkt an die Landesgrenze gefahren werden. Die Aserbaidschaner wollen wohl, dass die beiden das Land möglichst rasch verlassen. Kurz nachdem Timmy bei der Abzweigung in Richtung dieses kleinen Grenzübergangs abgezweigt ist, wird er jedoch von der Eskorte aufgehalten. Er darf nicht zur kleinen Grenze fahren, sondern er muss zum grossen Grenzübergang bei der roten Brücke fahren. Also dorthin, wo wir vor 1.5 Stunden schon waren. Wir überlegen was wir machen sollen und entscheiden uns, dass wir uns nochmals an der roten Brücke versuchen wollen. Timmy und Duygu wurde eine Eskorte durch Georgien in die Türkei versprochen. Die Fahrt durch Georgien würde knapp fünf Stunden dauern. Wir hoffen uns auch anhängen zu dürfen. Ausserdem könnten uns auch vorstellen in der Türkei auf das Russland-Visum zu warten. In der Türkei gibt es schliesslich noch viel mehr zu sehen als hier in Aserbaidschan. Also fahren wir so schnell es geht zurück zur Roten Brücke. Timmy legt ein paar Toiletten-Pausen ein, er tankt und fährt möglichst langsam. So haben wir vielleicht den Hauch einer Chance die 50 Kilometer aufzuholen und zusammen mit ihnen doch noch nach Georgien einzureisen. Henning und Runan fahren ebenfalls in diese Richtung. Sie sind etwa 10 Kilometer vor uns. Eigentlich haben wir uns in Aserbaidschan immer schon brav an die Tempolimiten gehalten, da die hiesigen Polizisten bekannt für willkürliche, überteuerte Bussgelder sind. Aber jetzt machen wir eine Ausnahme. Wir fahren so schnell es geht zurück zum anderen Grenzübergang. Wir treffen etwa 15 Minuten nach unseren Deutschen Freunden am Grenzübergang ein. Timmy und Duygu sind mit der Botschaft am Telefonieren. Eigentlich wurde ihnen ja von den Aserbaidschanischen Behörden zugesagt, dass sie ausreisen dürfen. Doch das Polizeiauto, das sie eskortiert hat, hat ein paar Meter vor der Grenze gewendet und ist davongefahren. Die Telefonate mit der Botschaft bringen sie auch nicht viel weiter. Unsere Hoffnung schwindet, dass wir mit ihnen zusammen ausreisen können. Daher beschliessen wir uns, langsam zurück Richtung Baku zu fahren. Henning und Runan haben sich zwischenzeitlich entschlossen, sehr rasch nach Baku zu fahren. Sie wollen dort ihr Auto parkiert lassen und morgen nach Hause fliegen. Sie sind bereits seit zwei Jahren unterwegs und eigentlich auf dem Heimweg. Doch mit all den Einschränkungen rund um den Coronavirus macht die Weiterreise für sie derzeit keinen Sinn. Timmy und Duygu blieben noch etwas an der Grenze und hoffen, dass ihre Telefonate doch noch etwas bringen und sie nach Georgien einreisen können.

Wir fahren etwa eine Stunde und suchen uns dann abseits der Strasse einen Übernachtungsplatz, da es schon bald dunkel wird. Auch für Timmy und Duygu geht es an der Grenze nicht weiter. Daher fahren sie etwa um 22 Uhr an den gleichen Übernachtungsort wie wir. Es ist ihr erster Abend in Freiheit, nachdem sie aus der Quarantäne entlassen wurden. Doch so richtig frei sind sie nicht, denn ihnen wurde die Ausreise aus Aserbaidschan verweigert und stecken hier fest. Es gäbe noch die Möglichkeit in Baku ein Transit-Visum für Russland zu beantragen und via Russland nach Georgien zu fahren. Dieser Grenzübergang ist momentan noch offen. Doch wer garantiert uns, dass der Grenzübergang auch in ein paar Tagen noch offen sein wird? Niemand. Daher kommt diese Option für uns nicht in Frage. Wir wissen nicht wirklich was wir machen sollen. Wir sind hin und her gerissen.

Die Grenzen nach Georgien seien für 10 Tage geschlossen. Aber es ist gut möglich, dass diese Frist verlängert wird. Zurück in den Iran wollen wir nicht und nach Russland könnten wir nur mit dem Transit-Visum. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA hat jedoch eine Reisewarnung für Russland herausgegeben und alle Schweizer aufgefordert aus Russland auszureisen. Daher wollen wir nicht plötzlich mit einem 7-Tage Transit Visum in Russland feststecken.

Wir versuchen etwas Schlaf zu finden, doch unsere Gedanken kreisen nur um all die Möglichkeiten, wie unsere Reise weitergehen soll und kann... Am Morgen frühstücken wir zusammen mit Duygu und Timmy an der Sonne. Plötzlich fährt ein Polizeiauto zu unserem Übernachtungsplatz. Wir hätten echt nicht gedacht, dass die Polizisten wissen, wo wir übernachtet haben. Der Platz ist ziemlich abgelegen auf einem Feldweg. Doch wie es scheint wissen sie ganz genau wo Timmy und Duygu sind. Sie fahren in unsere Nähe, hupen, und legen etwa in dreissig Meter Entfernung ein Handy auf den Boden. Dann fahren sie weiter. Timmy und Duygu gehen zum Handy und nehmen es an sich. Wir kommen uns vor wie in einem schlechten Krimi. Überwachung total. Zum Glück haben die Polizisten nicht uns auf dem Radar, sondern Timmy und Duygu. Das Telefon klingelt. Ihnen wird mitgeteilt, dass sie das Telefon an sich nehmen sollen und dass das nur zu ihrem Wohl sei. So könnten sie jederzeit die Polizei anrufen, wenn sie Hilfe benötigen. Aha. Alles klar. Oder dient das Handy wohl eher zur Überwachung, damit sie die beiden per GPS orten können? Wir wissen es nicht.

Wir verabschieden uns von den beiden und fahren zurück nach Baku. Uns steht schon wieder ein ganzer Tag im Auto bevor. Zum Glück ist sich David die langen Fahrten mittlerweile gewohnt. Doch Spass macht das Reisen so nicht. Während der etwa siebenstündigen Fahrt haben wir genügend Zeit, um über unsere Weiterreise nachzudenken. Seit wird vor drei Wochen aus Dubai ausgereist sind, sind wir nur noch am herum hetzen. Wir fahren nicht mehr, um Sachen anzuschauen, sondern nur um weiter zu reisen und nicht stecken zu bleiben. Täglich verfolgen wir die News rund um das Coronavirus und um die damit verbundenen Reisebeschränkungen, Quarantänebestimmungen und Grenzschliessungen. Einige Länder haben die Schweiz mittlerweile auch als Hochrisikoland eingestuft und es droht eine Zwangsquarantäne bei der Einreise. Das wollen wir aber auf keinen Fall.


Schwierige Entscheidungen in Baku

Wir diskutieren lange und viel... Wird die Grenze nach Georgien in 10 Tagen wirklich wieder öffnen? Irgendwann steht unsere Entscheidung fest. So macht die Weiterreise keinen Sinn mehr. Wir können die Reise nicht mehr geniessen und es macht so keinen Spass mehr. Schweren Herzens entscheiden wir uns, unseren geliebten Pluto in Baku zu parkieren und nach Hause zu fliegen. Wir sind unendlich traurig, niedergeschlagen und auch ein Gefühl des Gescheitert sein schleicht sich bei uns ein. Doch das ist in der momentanen Situation die einzige vernünftige Entscheidung. Wir erreichen Baku kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Wir parkieren erneut auf dem grossen Parkplatz beim Riesenrad. Mit einem Taxi fahren wir zu einem Einkaufszentrum, um einen Koffer zu kaufen.

Während der Fahrt nach Baku haben wir eine Freundin eines Freundes kontaktiert, die in Baku lebt. Wir haben uns nach einem Parkplatz für Pluto umgehört. Sie kontaktiert einen Freund, der am Flughafen arbeitet. Wie sich später heraus stellt, ist dieser Kontakt ein richtiger Glücksgriff. Der Freund arbeitet nicht nur am Flughafen, so wie es sich heraus stellt, arbeitet er beim Zoll. Er weiss genau was mir machen müssen, damit wir das Land ohne Auto verlassen können. Am Abend erreicht uns auch eine Nachricht von Henning. Er wollte heute schon nach Hause fliegen. Das Auto haben sie bei Bekannten parkiert. Doch bei der Immigrationsbehörde am Flughafen wurde im die Ausreise verweigert. Seine Freundin konnte fliegen, er musste zurück in die Stadt und das Auto holen. Das Auto musste er am Flughafen beim Zoll parkieren - für 10$ pro Tag und den Schlüssel musste er auch dort lassen. Er darf das Auto nur 30 Tage im Land lassen, danach wird eine Busse fällig.

Aufgrund dieser Informationen von Henning und den Infos unseres Kontaktes fahren wir am frühen Morgen des 16. März zum Zollbüro in der Stadt Baku. Wir klopfen an der Türe und treten ein. Eigentlich hätten wir eine Art Schalter-Halle erwartet. Doch wird befinden uns in einem kleinen Büro mit zwei Stühlen und einem Beamten. Der Beamte spricht kein Englisch. Er begleitet uns in ein Büro nebenan. Dann klingelt das Telefon auf diesem leeren Bürotisch. Der Beamte gibt den Hörer David. Am Telefon ist ein netter Beamter namens Zever, der perfekt Englisch spricht. Er teilt uns mit, dass wir zu einem anderen Zollgebäude fahren sollen. Zever ist super nett, schickt uns seine Handynummer, den GPS Standort und ein Foto des Zollgeländes per Whatsapp.

Also fahren wir wieder raus aus der Stadt, um zu diesem grossen Zollgelände zu fahren. Dort herrscht reges Treiben, viele Lastwagen und andere Autos sind dort. Wir dürfen das Gelände erst betreten, als wir unseren Mundschutz tragen. Ein russischer Lastwagenfahrer hat einen Mundschutz und er ist alles andere als erfreut, als ihm der Zutritt verweigert wird. Yvonne wartet im Wärterhäusschen während David im ersten Büro vorstellig wird und erklärt, dass wir das Auto hier lassen wollen, während wir vorübergehen nach Hause fliegen. Die Beamten sprechen kaum Englisch. Daher ruft David Zever per Whatsapp Videoanruf an. So sehen die Beamten Zever und seine Uniform mit den vielen Streifen auf den Schultern auf dem Video. Er erklärt den Beamten was wir wollen. Dann dürfen wir Pluto auf das Zollgelände fahren. Die Reifen werden desinfiziert. Wir erfahren, dass wir Pluto hier parkiert lassen müssen. Der Parkplatz macht einen ganz guten Eindruck. Diverse Sicherheitsleute und Überwachungskameras sind zu sehen. Wir werden zu einem anderen Gebäude auf dem Zollgelände geschickt. Auf einem Zettel wurde uns der Name eines Beamten aufgeschrieben. Elia Iskenderov. Wir fragen den Security in der grossen Schalterhalle nach Herrn Iskenderov. Er sei gerade nicht hier, aber wir sollen eine halbe Stunde warten. Also warten wir einige Zeit in dieser Schalterhalle. Plötzlich begleiget uns der Security in die erste Etage. Vor einem Büro sehen wir ein goldenes Türschild mit dem Namen von Herrn Iskenderov. Wir warten im Gang. Plötzlich öffnet sich die Türe, ein Herr verlässt das Büro und der nächste betritt es. Okey, ein Anstehsystem scheinen die vier anwesenden Herren nicht zu verstehen. Also warten wir ab jetzt ein Meter vor der Türe, damit sich nicht noch weitere Leute vordrängen. Nach ein paar Minuten dürfen wir ins Büro. Herr Iskenderov ist ein älterer Beamter. Er schient wohl ein höherer Beamter zu sein mit mehr Weisungsbefugnis. Uns seine Position ist ihm wohl etwas zu Kopf gestiegen. Wir merken schnell, dass er uns nicht wohlgesonnen ist. Da er kein Englisch spricht, rufen wir etwa zum fünften Mal unseren Kontakt Zever an, der erneut per Videocall dem Herrn Iskenderov erklärt, was wir wollen. Wir wollen eine Bestätigung, dass wir unseren Pluto länger als die üblichen 30 Tage hier in Aserbaidschan lassen können. Wir wollen Pluto temporär nach Aserbaidschan importieren. Die beiden Herren telefonierten ziemlich lange miteinander. Doch Herr Iskenderov teilt uns mit, dass das nicht möglich sei. Der Zeitraum ist fix auf die 30 Tage begrenzt. Eine Verlängerung sei nicht möglich. Unser Kontaktmann Zever entschuldigt sich bei uns. Ihm tut es sichtlich leid, dass er uns in dieser misslichen Lage nicht helfen kann. Für uns bedeutet das, dass wir nach 30 Tagen, also ab dem 28. März 2020 eine Busse bezahlen müssen. Es gibt keine anderen Möglichkeit. Zever schaut extra nach unt teilt uns die verschiedenen Bussgelder-Höhen mit. Konkret bedeutet das für uns in Zahlen:

15 Tage überzogen:    50 Manat
1 Monat überzogen:     100 Manat
2 Monate überzogen:    200 Manat
3-6 Monate überzogen:    300 Manat
mehr als 6 Monate:    700 Manat

Wir haben keine Ahnung wie lange diese ganzen Restriktionen anhalten werden. Eigentlich wollen wir so bald wie möglich zurück nach Baku und unsere Reise fortsetzen. Doch niemand kann uns sagen, wie lange der Virus noch anhalten wird. Falls wir wirklich erst in einem halben Jahr weiterreisen könnten, müssten wir knapp 400 Franken Busse bezahlen (700 Manat). Das ist ein Betrag, den wir irgendwie verkraften können.. Hoffentlich wird die Busse nicht allzu hoch. Herr Iskenderov begleitet uns wieder ins Erdgeschoss und sagt einem Kollegen, welche Dokumente wir benötigen, damit wir das Auto hier lassen können. So sind wir besser vorbereitet als Henning am Tag vorher, der seinen Flug wegen fehlender Dokumente verpasst hat. Nach ein paar Minuten bekommen wir die Dokumente. Und wir erhalten ein Parkticket, damit wir Pluto hier parkiert lassen können. Der Parkplatz kostet 3 Manat pro Tag, etwa 1.70 Franken. Das ist auch schon deutlich besser als der 10$ Parkplatz von Henning am Flughafen.

Nachdem wir all den Bürokram erledigt haben, gilt es Pluto fertig zu machen für eine längere Pause. Die verderblichen Lebensmittel haben wir am Vorband an Timmy und Duygu verschenkt. Wir leeren den Kühlschrank, schliessen die Gasflaschen, klemmen die Batterien ab. Und wir packen unsere sieben Sachen. Leider haben wir am Vorabend keine Koffer gefunden. Daher haben wir einfach unsere beiden Duffelbags zur Verfügung, um das Nötigste mit nach Hause zu nehmen. Wir packen ein paar Kleider und unsere Schuhe ein. Für viel mehr bliebt kein Platz. Die Stimmung ist komisch. Eigentlich wollen wir ja nicht weg und vor allem wollen wir unser Auto nicht hier alleine zurück lassen. Doch wir müssen. Wir sind sehr traurig. Immerhin erklärt sich der Security bereit, noch ein Abschiedsfoto von uns und unserem Pluto zu machen. Glücklicherweise müssen wir uns hier keinen Autoschlüssel zurück lassen. Dann bestellen wir uns ein Taxi zum Flughafen. Der Flughafen liegt auf der anderen Seite der Stadt. Die Fahrt dauert 45 Minuten. Es gibt keine Umfahrungsstrasse und der Taxifahrer muss quer durch die Stadt. Kurz vor 15 Uhr erreichen wir den Flughafen. Es ist nicht viel los. Um 16 Uhr fliegt ein Aeroflot-Flieger via Moskau nach Genf. Online können wir so kurzfristig kein Ticket mehr buchen und auch am Flughafen will und niemand mehr ein Ticket für diesen Flug verkaufen. Also setzten wir uns in ein Restaurant und schauen im Internet, welche Flugmöglichkeiten es sonst noch so gibt in die Schweiz. Viele Flugverbindungen wurden bereits eingestellt und es gibt nicht mehr allzu viele Optionen. Wir buchen auf flugladen.de ein Ticket für etwa 400 Franken. Der Flug geht morgen Dienstag um 16 Uhr. Leider finden wir auch nach mehr als einer Stunde noch immer keine Bestätigung geschweige dennn Flugtickets in unserem Mail-Postfach vor. Die Hotline von flugladen.de ist überlastet und das Unternehmen ist nur per Mail erreichbar. Also schreiben wir eine Mail. Etwa nach einer Stunde erhalten wir eine Mail mit der Info, dass ein Fehler unterlaufen sei und die Tickets nicht gültig sein. Es ist etwa 19 Uhr. Also sind wir jetzt etwa gleich weit wie vor vier Stunden. Nämlich bei Null. Pluto ist sicher untergebracht und wir sitzen ohne Flugtickets am Flughafen. Super!

Uns bliebt nichts anderes übrig als nochmals mit der Suche nach einer gescheiten Flugverbindung zu beginnen. Unsere Nerven liegen blank. Den ganzen Tag sind wir von Zollbüro zu Zollbüro gerannt und jetzt das. Wir starten erneut den Laptop und suchen nach Flugtickets. Die Preise sind schon deutlich höher als noch vor ein paar Stunden. David tendiert zu einem Flug am Mittwochmorgen über Moskau nach Genf. Mit 300 Franken pro Ticket wäre der durchaus bezahlbar. Doch dann müssen wir zwei Tage in ein Hotel, das kostet auch wieder Geld. Und wer sagt uns, dass am Mittwoch überhaupt  noch Flüge von Baku aus fliegen? Yvonne will lieber heute noch Weg aus Baku. Um 22:30 Uhr geht ein Flug via Katar nach Zürich. Der Flug ist sehr teuer. Aber dann wären wir sicher auf dem Nachhauseweg und wir bräuchten kein Hotel. Aber wollen wir wirklich über 1'000 Franken pro Ticket ausgeben? Wir diskutieren einige Zeit... Und dann buchen wir diesen überteuerten Flug, der uns noch heute Abend Richtung Schweiz befördern wird. Und es war die richtige Entscheidung. Das ist der letzte Qatar-Flug, der noch geht. Ab morgen gibt es diese Verbindung nicht mehr. Und zwei Tage später wird der ganze Flugbetrieb in Baku eingestellt...

Nachdem wir die Tickets gebucht und unseren Flug eingecheckt haben, geben wir unser Gepäck auf. Und wir erleben einen kurzen Schock-Moment. Auf der Anzeigetafel steht unser Qatar-Flug, unsere Flugnummer und dahinter in Rot "cancelled". Wir fragen die Mitarbeiter beim Check-in was das zu bedeuten hat. Sie erklären uns, dass das der Flugplan von morgen sei, nicht heute. Heute fliegt der Flieger wie geplant, aber ab morgen wird diese Flugverbindung eingestellt. Puh, Glück gehabt. Wir gehen zur Passkontrolle. Die junge Beamtin schaut zuerst Yvonnes Pass an. Alles gut. Dann folgt Davids Pass. In seinem Pass ist vermerkt, dass er mit einem Auto nach Aserbaidschan eingereist ist. Genau hier ist Henning vor 24 Stunden stecken geblieben. Die Beamtin zieht einen Kollegen bei. David überreicht ihm die Dokumente, die wir vom Zoll erhalten haben. Yvonne muss ein paar Meter weiter warten, während David zusammen mit den Beamten nochmals zurück muss. Oh man, hoffentlich kommt nun alles gut. David ist wirklich nervös. Wir haben doch alles richtig gemacht?! Die Beamten begleiten ihn zurück zu einem Zollbüro. Die Unterlagen werden angeschaut. Doch nach etwa 10 Minuten ist der Spuck glücklicherweise vorbei und David kann ausreisen. Wir sind sichtlich erleichtert, als wir die letzte Kontrolle hinter uns haben. Jetzt ist es Zeit für ein Bier. Wir sind sehr traurig. Jetzt ist es als wirklich soweit, dass wir unsere Reise unterbrechen müssen. Doch wir versuchen uns nicht unterkriegen zu lassen. In einer Flughafenbar gönnen wir und zwei Corona-Bier... aber so richtig zum Lachen zu Mute ist uns trotz all der Ironie nicht.

Schon am nächsten Morgen landen wir in Zürich. Plutos Tour gehört also vorerst der Vergangenheit an. Wir verbringen die nächsten Tage, Wochen oder Monate - wer weiss das schon - auf dem Bauernhof von Yvonnes Bruder. Trotzdem verfolgen wir die News natürlich regelmässig. Und es war wirklich die richtige Entscheidung, unsere Reise abzubrechen. Die Lage wird immer angespannter. Kurze Zeit später ist Baku abgeriegelt. Man kann nicht mal mehr in einen anderen Stadtviertel reisen. Wir hoffen sehr, dass wir euch hier auf dem Blog schon bald wieder einen spannenden Bericht über unsere Rückkehr nach Baku und die Weiterreise zeigen können. Wer weiss, wann das sein wird…

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Kommentare: 4
  • #1

    Colette (Sonntag, 19 April 2020 12:21)

    Unglaublich wie ihr da durch gekommen seid auf dem letzten Drücker. Und definitiv die richtige Entscheidung wie blöd das alles auch ist die Reise abbrechen zu müssen...
    A bend in the road is not the end of the road unless you forget to make a turn...

    Ihr werdet den Turm machen, auch wenn es nicht gerade nächste Woche sein wird aber alles kommt gut und dann geht euer Abenteuer weiter!
    Toi toi toi und erholt euch erstmal von den Strapazen!

  • #2

    Daniela (Sonntag, 19 April 2020 14:50)

    Hallo ihr lieben!

    Das liest sich wie ein Krimi! Ihr habt wirklich Glück gehabt . Genießt die Zeit zu Hause und ich wünsche euch von Herzen dass ihr eure Reise weiterführen könnt !! Ich beneide euch sehr ! Bleibt gesund und ganz liebe Grüße aus Bregenz!

  • #3

    Silvia (Sonntag, 19 April 2020 23:21)

    Hallo ihr zwei,
    Bin riesig froh zu lesen, dass ihr heil zurück seid... natürlich hoffe ich, dass ihr so bald wie es sicher ist weiterreisen könnt. Leider hat das Bolero geschlossen, so können wir nicht (auf ein Corona) abmachen... aber hoffentlich bald wieder. Blibed gsund und optimistisch :-) liebi Grüess us Nidwalde, Silvia

  • #4

    Nicole Baumann (Montag, 18 Mai 2020 16:21)

    Hallo zusammen
    Rein "zufällig" bin ich auf Euren wahnsinnig spannenden Bericht gestossen - und Yvonne, mir kommt da fast vor, das Travel Festival hat doch ein paar Spuren hinterlassen ;-) ... so verrückte Geschichten wurden dort über all die Jahre erzählt und jetzt ist es gerade etwas schade dass wir das nicht mehr machen. Doch dafür gibt es nun ja den Blog den ich mit Spannung gelesen habe. Und vielleicht weisst du noch, dass ich ja seit vielen Jahren Russland- u. v.a. Transsibirien-Reisen organisiere. Mich nimmt wunder wer Euch erzählt hat dass man im April noch ein 3monatiges Visum machen könnte? Das war schon zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich, wir mussten alle unsere Kunden auf standby setzen, zuerst hiess es bis 1. Mai, dann wurde es noch verlängert und jetzt weiss man auch nicht wann wieder Visas erteilt werden... haben also auch noch einige Leute die darauf warten, und auch auf der Seidenstrasse zurückreisen wollten...
    Ich hoffe, dass Ihr nicht mehr allzulange warten müsst, und freue mich schon auf die Fortsetzung.
    Viele liebe Grüsse und eine gute Zeit in Meierskappel wünscht Euch Nicole vom SWISS TRAVEL CLUB